Im Jubiläumsjahr „100 jahre bauhaus“ lädt die vom Bauhaus Verbund 2019 initiierte Grand Tour der Moderne unter dem Motto „Die Welt neu denken“ dazu ein, die historischen Zeugnisse des Bauhauses und ihre Bedeutung für die Gegenwart und Zukunft neu zu entdecken. In Rheinland-Pfalz führt die Reise zum Weingut Kreutzenberg in Kindenheim, zur Westendsiedlung in Ludwigshafen und zur Lutherkirche in Mainz.
Weingut Kreutzenberg in Kindheim
Der Weinbauer Emil Kreutzenberger war ein Freund der Moderne und neuen Sachlichkeit. Als er 1929 das Gutshaus der Winzerfamilie in Kindheim plante, entschied er sich für den Architekten Otto Prott, der zwar nicht am Bauhaus studiert oder gelehrt hatte, aber den avantgardistischen Bauhaus-Ideen aufgeschlossen gegenüberstand. Emil Kreutzenberger ging mit dem schnörkellosen Flachbau neue und für die Pfalz durchaus ungewöhnliche Wege. Bis heute ist das Familienweingut dieser Linie treu geblieben und widmete dem Architekten sogar eine eigene Etikettenlinie, auf der eine perspektivische Zeichnung von Prott zu sehen ist.
Westendsiedlung in Ludwigshafen
Unter der Leitung des sozialpolitisch engagierten Architekten Markus Sternlieb entstanden neben der Westendsiedlung 1927 bis 1930 die Friedrich-Ebert-Siedlung (damals Hindenburgsiedlung) und 1931 die Christian-Weiß-Siedlung im Stadtteil Süd. Sternliebs Ziel war es, bezahlbaren und guten Wohnraum zu schaffen. Die Wohnungen waren bis zu 50 Quadratmeter groß und mit eigenem Bad und WC ausgestattet, was zu jener Zeit keine Selbstverständlichkeit war. Sie boten Platz für eine vierköpfige Familie mit getrennten Schlafzimmern für Eltern und Kinder sowie einem Wohnzimmer. In einem Großteil der Wohnung wurde die sogenannte „Frankfurter Küche“ eingebaut, die 1926 von der Architektin Margarete Schütte-Linotzky entworfen worden war. Sie gilt heute als die Urform der modernen Einbauküche.
Lutherkirche in Mainz
Otto Bartning war gemeinsam mit Walter Gropius einer der führenden Köpfe, die 1918 die Bauhaus-Idee entwickelten. Außerdem gilt er als Begründer des modernen evangelischen Kirchenbaus. Er baute 150 Kirchen in Deutschland und im Ausland. Nach dem Umzug des Bauhauses von Weimar nach Dessau war Bartning von 1926–1930 Direktor der neu gegründeten Bauhochschule in Weimar. Nach dem Sieg der NSDAP in Thüringen musste er diese Funktion wieder abgeben und ging nach Berlin.
Nach dem Zweiten Weltkrieg entwarf Otto Bartning ein Serienprogramm für den Bau sogenannter Notkirchen, von denen mit Unterstützung aus dem Ausland in einem ersten Programm 43 Kirchen in Deutschland gebaut wurden.
Eine dieser Kirchen ist die Lutherkirche in Mainz im Zitadellenweg 1. Bartning gelang es mit dem Serienbau trotz der schlichten Ausführung einen beeindruckenden Kirchenbau zu schaffen. Viel Licht und warme Holztöne zielten auf das Gefühl der Geborgenheit. Damals wie heute versteht sich die Lutherkirche als Anlaufpunkt für Menschen in Not.
Ehemalige Hauptpost in Pirmasens wird Jugendherberge
In der Pfalz setzte der Architekt Heinrich Müller die Idee des „neuen Bauens“ von 1928 bis 1932 bei großen städtischen Postneubauten um. Die Funktionalität hatte dabei – ganz im Sinne des Bauhausgedankens – höchste Priorität. Pirmasens war das erste, es folgten die Postgebäude für Neustadt an der Weinstraße und Kaiserslautern.
Alle drei sind Hochhäuser, bei denen sich Müller von seinen sonst gern verwendeten Satteldächern verabschiedete und den Übergang zum Flachdach einleitete. Die 1928 erbaute Hauptpost in Pirmasens war damals mit einer mechanisierten Paketabfertigung eines der modernsten Postgebäude überhaupt.
Der Pfälzer war in seiner Funktion als Oberpostbaurat in der für Architekten seltenen komfortablen Lage, sich seine Projekte selbst zu genehmigen. Bis zum 1. April 2019 entsteht im ehemaligen Gebäude der Hauptpost in Pirmasens eine der modernsten Jugendherbergen in Deutschland.
Gutenbergmuseum in Mainz
Das Mainzer Gutenberg-Museum, Weltmuseum der Druckkunst, wirft anlässlich des Jubiläums ein Schlaglicht auf die Bauhaus-Typografie, die das Grafik- und Kommunikationsdesign revolutioniert und bis in unsere heutige Zeit weltweit geprägt hat.
Der Bauhaus-Meister László Moholy-Nagy und Bauhäusler wie Herbert Bayer, Josef Albers oder Joost Schmidt haben mit der „Neuen Typografie“ oder „Elementaren Typografie“ das Grafik- und Kommunikationsdesign revolutioniert. Das reicht von der Reklame über Plakat-, Zeitschriften- und Buchgestaltungen bis zum Corporate Design internationaler Marken. Sie prägten den internationalen Stil der Moderne. Dem Wirken des Bauhauses auf dem Gebiet der Druck- und Schrift- sowie der Plakatkunst widmet sich das Mainzer Gutenberg-Museum im Herbst 2019 mit einer umfassenden Typografie-Sonderausstellung und einer begleitenden Publikation.
Im Innenhof des Museums steht der Bauhaus-Pavillon. Der langgestreckte Riegel mit halbrundem Bug lehnt sich in seinen geometrischen Formen an den Regina-Kiosk des Bauhaus-Jungmeisters Herbert Bayer an. Das 3,50 Meter breite und neun Meter lange Holzloft mit großer Glasfront wird für Filmvorführungen, Seminare, Workshops und Lesungen auch über das Jubiläumsjahr hinaus genutzt.
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